SWISS MONGOLIAN Pediatric Project

SMOPP: Швейцарь – Монголын хүүхдийн төсөл

Der Zufall stand Pate bei diesem Hilfsprojekt. Eine Urlaubsreise in die Mongolei und die Erzählungen von Mongolen, dass Hüftleiden bei Kindern und Erwachsenen sehr häufig seien, führten zur Projektidee.

Beide Gründer, Thomas Baumann und Raoul Schmid, befassen sich seit Jahren als Instruktoren und Anwender der Methode von Prof. R. Graf mit der Ultraschall-Früherfassung  und Behandlung dieser häufigsten angeborenen Störung des Bewegungsapparates. Gemeinsam mit einer Gruppe motivierter Ärzte in der Mongolei begannen sie 2009 systematisch mit Ausbildung, Wissenstransfer und Gerätelieferungen. Zunächst galt es, erhebliche Widerstände zu überwinden, um die nicht mehr zeitgemässen Vorstellungen vom Wesen und Behandlungskonzept der DDH (developmental dysplasia of the hip) korrigieren zu können. Seither kümmert sich das Projekt um die Ausbildung lokaler Ärztinnen und Ärzte und um die Qualitätssicherung der Diagnostik, um die Lieferung von Geräten für die Ultraschall-Untersuchung, um Mittel zur Behandlung des Leidens und um chirurgische Therapie für die seltenen, schwersten Formen der Hüftluxation.

In einer grossen Studie an über 8000 Neugeborenen wurde eine  Häufigkeit der DDH von 1.2% festgestellt und gleichzeitig die Wirksamkeit der einfachen Abspreizbehandlung mit einer mehrmals verwendbaren Tübinger-Schiene nachgewiesen. Die Behandlung dauerte im Schnitt nicht mehr als 6 Wochen! Damit sind für ein Hilfsprojekt geradezu optimale Voraussetzungen gegeben: ein gravierendes, behinderndes Gesundheitsproblem, welches mit einer einfachen und unschädlichen Methode einer Heilung zugeführt werden kann. In einem Land ohne soziales Vorsorgesystem bedeutet das für Betroffene nicht nur einen unmittelbaren Gewinn an Lebensqualität, sondern ermöglicht ihnen auch eine berufliche und somit ökonomische Zukunft.

Inzwischen sind die grössten Geburtskliniken der Hauptstadt und die zentralen Spitäler aller Provinzen des Landes personell und technisch in der Lage, alle dort Neugeborenen bezüglich DDH zu untersuchen.

Trotz Bodenschätzen ist die Mongolei ein armes Land, das nur sehr beschränkt Mittel für das Gesundheitswesen einsetzen kann. Zur Zeit (2017) und in Folge des Preiszerfalles bei Rohstoffen ist der Staat faktisch bankrott. Dennoch hat das Gesundheitsministerium eine flächendeckende Untersuchung aller Neugeborenen landesweit (Screening) im Rahmen eines Präventivprogrammes beschlossen. Als Zielvorgabe zur Umsetzung wurde der Zeitrahmen bis 2020 definiert. Eine staatliche finanzielle Unterstützung ist jedoch nicht vorgesehen oder zu erwarten. Auf absehbare Zeit wird sich SMOPP also weiterhin allein um die Problematik kümmern und sich über Spenden und Sponsoring finanzieren.

Diagnostik

Die Methode der Früherkennung von Hüftdysplasien mit Ultraschall wurde vor über 30 Jahren durch Prof. R. Graf aus Österreich definiert und hat sich in der Zwischenzeit auch dank technischem Fortschritt erheblich weiterentwickelt. Die im Rahmen des Projektes gemachten und in Studien dokumentierten Erkenntnisse erlauben es uns, ein für das bNeugeborenen-Screenig  optimiertes Einteilungssystem (s. unter News/Forschung/Hüftultraschall in der Mongolei) zu verwenden, was nicht nur die Ausbildung der lokalen Ärztinnen erheblich vereinfacht, sondern auch die Therapie.

Im Gegensatz zu Röntgenuntersuchungen ist Ultraschall nicht mit Strahlenbelastung verbunden und sie ermöglicht die zuverlässige Beurteilung der Hüftgelenke zu einem früheren Zeitpunkt, ab dem ersten Lebenstag.

Die Untersuchung ist standardisiert und dauert nur wenige Minuten. Das Baby wird in einer Lagerungsschale auf die Seite gebettet und mit Hilfe einer Schallsonden-Halterungsvorrichtung streng seitlich untersucht. Das Stadium der Reife oder der Schweregrad der Dysplasie kann auf einfache Weise gemessen werden. Dies ist besonders für die Überwachung der Behandlung von grossem Nutzen.

Behandlung

Das Therapiekonzept ist überraschend einfach. Der verletzliche Schwachpunkt unserer Hüftgelenke ist das Dach der Gelenkpfanne am Beckenknochen. Diese reift und verknöchert bis zum Ende der Pubertät, v.a. aber in den ersten 3 Lebensmonaten. Durch Druck auf das Pfannendach wird dieser Reifungsprozess unter Umständen behindert oder verunmöglicht. Das Prinzip der Behandlung ist die Entlastung durch Abspreizung. Das Baby wird in einer Sitz-Hockstellung mit gebeugten und leicht abgespreizten Beinchen während 24 Stunden pro Tag fixiert.

Die Eltern werden in der Handhabung der Schiene instruiert und führen anschliessend die Behandlung selbstständig durch. Kontrollen mit Ultraschall finden alle 4 Wochen bis zur vollständigen Ausreifung statt. Wie in unserer Studie gezeigt werden konnte, kann dies zuverlässig in praktisch allen Fällen durchschnittlich nach 6 Wochen Behandlung erreicht werden! Therapienebenwirkungen werden keine beobachtet, die Behandlung ist absolut sicher. Letzteres konnte ebenfalls mittels einer Studie einwandfrei nachgewiesen werden.

Qualitätssicherung

Die mongolischen Aerztinnen, die die Ultraschall-Methode durchfüheren, durchlaufen einen Ausbildungsgang, welcher demjenigen in der Schweiz vergleichbar ist. Ausgebildete werden regelmässig in Refresherkursen weitergebildet. Jede am Screening teilnehmende Ärztin ist verpflichtet, die Untersuchungen mit einer SMOPP-eigenen Software (HipScreen) auf einen dem Projekt eigenen Server hochzuladen. Nach 4-Augen-Prinzip wird jede durch eine Expertin nachkontrolliert. Zweifelhafte Fälle werden an eine Kerngruppe von Spezialisten zur abschliessenden Beurteilung weitergeleitet.

So soll in diesem weitläufigen und verkehrsmässig schlecht erschlossenen Land der Qualitätsstandard hoch gehalten und niederschwellig kurzfristige Unterstützung gewährleistet werden. Ausserdem entsteht eine weltweit einzigartige nationale Sammlung an Untersuchungsdokumenten mit der Möglichkeit für ergänzende Studien und zur Nachverfolgung bei Problemfällen.

Info über die Mongolei

Die Mongolei ist ein riesiges Land und war während Jahrzehnten ein sowjetischer Vasallenstaat. Im Rahmen der Veränderungen in Osteuropa entstand 1990 auch in der Mongolei eine Demokratiebewegung. Die ersten freien Wahlen wurden am 28. Juni 1992 abgehalten. Die Systemänderung produzierte Gewinner und Verlierer.

Die Mongolei hat nach langer Stagnation (1990–2002 +3 bis −3 %) nun ein Wirtschaftswachstum von 5,3 bis 10 Prozent; der Anstieg geht grossteils auf den Dienstleistungssektor zurück, der auf fast 40 % des BIP stieg, sowie auf höhere Weltmarktpreise für Kupfer und Gold. Dieses Wirtschaftswachstum ging allerdings am armen Teil der Bevölkerung vorbei: Etwa 40 % leben unterhalb der extremen Armutsgrenze. Die schwierigen Reformjahre haben den Anteil der Privatwirtschaft zwar auf 80 % gesteigert, aber die sozialen Unterschiede und das Stadt-Land-Gefälle vergrößert. Die Schere zwischen arm und reich ist massiv aufgegangen.

In der Mongolei herrscht kontinentales Klima mit Zeiten extremer Kälte. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt knapp 70 Jahre (2015). Das Gesundheitswesen ist einerseits staatlich (Kinder und Mütter bis zwei Jahre nach der Geburt ihres Kindes zahlen offiziell nichts), anderseits macht sich zunehmend eine privatisierte Medizin breit, die wie überall die Rosinen herauspickt und wenig Gemeinnütziges (Ausbildung usw.) hervorbringt. Die Geburtenrate in der Mongolei ist deutlich höher als in der Schweiz. Sie betrug 2017 18.9/1000 Einwohner. Zum Vergleich: In der Schweiz im gleichen Zeitraum 10.5/1000 Einw. Bei einer Bevölkerung von 3.18 Mio. beträgt sie 2017 ca. 80’000 und liegt damit etwa gleich hoch, wie diejenige der Schweiz bei fast 8 Mio. Einwohnern.

Praktisch alle Geburten in der Mongolei erfolgen in Geburtseinrichtungen. Das National Center for Maternal and Child Health (NCMCH) in Ulan Bator ist eine von vier solchen Kliniken in der Hauptstadt der Mongolei. Das medizinische Denken ist noch immer stark von der sowjetischen Mentalität geprägt. Oft fehlt das Verständnis für pathophysiologische Zusammenhänge oder es mangelt an der Möglichkeit, moderne Diagnostik zu betreiben. Die Kindersterblichkeit ist 10mal höher als in der Schweiz, was ein Abbild der Qualität medizinischen Versorgung ist.