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Nach sehr langer Zeit – unsere letzte Expedition hatte 2019 stattgefunden – war es im August einem Team aus der Schweiz endlich wieder vergönnt, die Mongolei zu besuchen. Im ersten Jahr der COVID Pandemie hatte das Gesundheitsministerium noch eine Null-Strategie verfolgt und konnte landesintern so auch bis März 2021 Virusübertragungen vermeiden. Seither sind mehrere Infektionswellen über das Land hinweggezogen und haben das Gesundheitssystem auf eine harte Probe gestellt. Zwischenzeitlich wurden, basierend auf internationalen Erfahrungen und im Gegensatz zum Nachbarn China, die Restriktionen schrittweise gelockert und entsprechen inzwischen etwa denjenigen in Europa. In der Zeit der Pandemie waren die Grenzen jedoch faktisch geschlossen und viele Wirtschaftszweige mussten einen hohen Preis bezahlen. Von unseren lokalen Mitarbeiterinnen wissen wir, dass die Schere von Wohlstand und Armut sich noch dramatisch weiter geöffnet hat und die junge, für Korruption anfällige Demokratie als sozusagen zahlungsunfähig gilt – gemäss einem internationale Banken-Risikorating auf Platz zwei hinter Sri Lanka.

Alltägliche Artikel, Grundnahrung, Benzin etc. haben sich drastisch verteuert und vielen Familien bleibt schlicht nicht genug Geld zum Leben. Es werden zwar keine konkreten Zahlen genannt, aber wir müssen von einer Armutsrate von über 30% ausgehen. Somit geht die Landflucht ungebremst weiter und gesundheitliche Beeinträchtigungen eines Mitgliedes ruinieren ganze Familien. Andererseits ist klar ersichtlich, dass sich das zentralasiatische Land weiter entwickeln will. Das inzwischen besser ausgebaute Strassennetz ist sinnbildlich dafür. Verwunderlich hingegen ist der Umstand, dass nach ewiger Planungs- und Bauzeit gut 50km ausserhalb des Zentrums der Hauptstadt Ulaanbaatar 2021 ein moderner Flughafen eröffnet worden ist, ohne jegliche Anbindung an öffentlichen Verkehr. Vieles ist für uns auch nach 14 Jahren noch unergründlich und, das ist anzunehmen, stark von politischen Machtspielen und Korruption geprägt.

Unser präventiver Ansatz ist dadurch wichtiger denn je, was uns auch von allen involvierten Personen, medizinischen Institutionen und Behörden bestätigt wird. Unsere Massnahmen, Ultraschall- untersuchungen und Behandlungen im Rahmen des Projektes, sind weiterhin gemäss vertraglicher Vereinbarung für alle Familien kostenlos. Leider unterlaufen angeblich Privatkliniken diese Abmachung regelhaft und halten sich auch nicht an unsere Qualitätsstandard. Hier ist die nationale Gesundheitsbehörde in der Pflicht und von uns auch dafür sensibilisiert worden. Mit dem nationalen Gesundheitsministerium und dem städtischen Gesundheitsdepartement konnten wir unsere ausgelaufenen Verträge um weitere 3 Jahre erneuern. Alle haben sich die gegenseitige Unterstützung zugesichert und das Ziel eines landesweiten Screeningprogramms bekräftigt. Laut übereinstimmenden Aussagen von Behördenvertrern sei unser Hüftprojekt beispielhaft und deutlich besser unterwegs als alle anderen gleichzeitig gestarteten Programme. Die Reduktion der Zahl von Operationen an Hüftgelenken von Kindern von 300 pro Jahr auf 40 in den letzten 10 Jahren wird als Erfolg des Konzeptes und der grossen Arbeit v.a. des lokalen Ärzteteams gewertet.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung unserer Tätigkeit wurde vom Coronavirus nicht beeinträchtigt. Es sind bereits mehrere Studien publiziert oder vor der Publikation. Sie sollen der Welt demonstrieren, wie in diesem Schwellenland mit hohem Erfolg eine Entwicklungsstörung verhindert werden kann, die mit hohem Risiko zu einer bleibenden und schweren Behinderung führt.

Im Hinblick auf die Ausweitung in ländliche Gebiete konnten in den letzten drei Jahren pandemiebedingt keine grossen Schritte unternommen werden. Hingegen gelang es dank grossem Einsatz unseres Teams vor Ort und der Internet-Austauschplattform, den bisherigen Status zu bewahren und die Qualität hoch zu halten. Rund 80% aller Neugeborenen in der Mongolei werden mit Hüftultraschall erfasst und wenn nötig sofort schonend behandelt. Das Projekt darf für sich in Anspruch nehmen, über 500’000 Untersuchungen durchgeführt und 6000 Babies behandelt zu haben, die allermeisten sehr erfolgreich und ganz ohne Nebenwirkungen. Es bleibt eine grosse Herausforderung, die Eltern von der Notwendigkeit und dem Nutzen der Behandlung zu überzeugen, weil eine inkonsequente Behandlung nicht sicher zum gewünschten Ziel der Heilung führt.

Für die Zukunft setzen wir uns drei grosse Ziele. Erstens sollen auch die noch fehlenden 15-20% aller Babies ins Vorsorgeprogramm aufgenommen werden. Das wird einerseits über die Einbindung von Privatkliniken, andererseits v.a. aber durch die Ausweitung auf die am wenigsten zugänglichen ländlichen Gegenden stattfinden. Die Vorbereitungen dazu laufen. Zweitens soll die Qualitätssicherung weiter gestärkt werden und gleichzeitig eine nationale Datenbank aufgebaut, welche statistische und wissenschaftliche Auswertungen in grossem Stil erlaubt. Drittens sollen weitere Publikationen dazu dienen, dass auch in anderen Regionen der Welt das schwere Gesundheitsproblem der invalidisierenden Hüftdysplasie vermehrt präventiv angegangen wird.

Die frühe Behandlung gemäss dem im Rahmen unseres Projektes angewandten Konzeptes führt in den meisten Fällen zu vollständiger Heilung, währenddem orthopädische Massnahmen zu einem späteren Zeitpunkt oft nur korrigierend sind, mit erheblich grösserem Risiko für das Kind und deutlich schlechteren Resultaten.

Für das Swiss Mongolian Pediatric Project Team
Raoul Schmid, Corinne Wyder

Tajikistan-Projekt STAPP

Unser Projekt macht kleine Fortschritte, und trotz der für alle immer noch schwierigen Situation nach Covid und nun dem Krieg in der Ukraine haben wir Wege gefunden, um das Projekt fortzuführen. So wurde Anfang 2022 ein grosses Paket mit 2 Ultraschallgeräten sowie einigen Hilfsmitteln für die Diagnostik und Therapie der angeborenen Hüft-Dysplasie geschnürt und per Bahn nach Dushanbe geschickt. Da dies mit dem Beginn des Ukraine- Krieges zusammenfiel, haben wir ganz schön gezittert, ob die wertvolle Fracht ankommt. Gleichzeitig wurde das bisher nur auf Englisch und Mongolisch erschienene Lehrbuch „ABCD of DDH“ auf Russisch übersetzt, gedruckt und dem tadschikischen Team übergeben. Trotzdem sind wir weit von den vereinbarten Zielen bezüglich Screening und Kontroll- Rate entfernt. Daher werden wir im Laufe dieses Jahr eine erneute Evaluation durchführen. Sollten die Erwartungen nicht erfüllt werden können, müssen wir realistischer- und bedauerlicherweise das Projekt mittelfristig beenden. Dies wurde auch dem tajikischen Team so mitgeteilt. Bis dahin werden wir das Projekt auf gleichem Level weiterlaufen lassen.

Für das Swiss Tajik Pediatric Project Team
Alexandra Goll, Thomas Baumann

Zavkhan Aimag