Schweigen in der Sprechstunde

Eindrücklich, ergreifend und faszinierend, was wir gemeinsam heute erlebt haben. Unsere mongolischen Kolleginnen und Kollegen haben uns für den ersten Arbeitstag eine Sprechstunde zusammengestelt, die uns verstummen liess. Über zwei Dutzend Kinder wurden uns vorgestellt, die meisten davon an schweren Hüftstörungen leidend. Viele davon sind nicht Opfer einer Hüftdysplasie (DDH), sondern von schweren Infektionen, die ein oder mehrere grosse Gelenke betroffen und bei vielen sozusagen den Hüftkopf „weggefressen“ haben. Sie alle werden von unseren Orthopäden Harry und Pascal in den verbleibenden 10 Tagen betreut und hoffentlich vor lebenslanger Behinderung bewahrt. Wir alle sind beeindruckt und um es in den Worten des für die Ostschweiz zuständigen obersten Kinder-Knochenschlossers, Harry, zu sagen: „was wir heute an einem Tag gesehen haben, erlebt unsereins sonst in drei Jahren“.
Für die Kinderärzte in der Runde bleiben zwei wichtige Erkenntnisse: Prävention ist absolut prioritär und wir tun wirklich etwas Gutes – indem wir vielen kleinen Mongolen förmlich auf die Füsse helfen!
Anspruchsvoll gestaltete sich während der Sprechstunde vor allem auch die möglichst ganzheitliche Anamnese. Eine Fallot-Tetralogie verhindert so zum Beispiel aufgrund des anästhesiologischen Risikos eine grössere Hüftoperation. Unterstützend hilft zur Ergänzung der Anamnese jeweils das heute von uns beobachte, spektakuläre Ganzkörper-Röntgen ap und lateral (siehe Bild) bevor der Patient überhaupt entkleidet wurde. Am Ende des Tages wurde eine herausfordernde „temptative agenda“ für die nächsten zwei Wochen erstellt, um die Orthopäden in den OP zu verdammen, gewisse Pädiater für längere Zeit in die Pampa zu senden. Wir freuen uns auf  eine spannende und möglichst effektive und einflussreiche Zeit im Land der grossen Reiter…
Auch im Röntgen und auf der Abteilung staunen wir immer wieder über das pathophysiologische (Un)Verständnis. Die Wöchnerinnen Abteilung darf von keinem Angehörigen betreten werden und wir dürfen nur mit recycleten Plastiküberschuhen eintreten. Aber sowohl die Neugeborenen wie auch die Mütter laufen mit improvisiert abgestöpselten Venenkanülen herum, die US Untersuchung wird mit Handschuhen durchgeführt, die aber nie sterilisiert, gewaschen geschweige denn gewechselt werden, dies auch nicht wenn sie mit etwas verschmiertem Mekonium in Kontakt kamen. Auf Strahlenschutz wird gar keinen Wert gelegt oder sie wissen wirklich nicht, dass RxStrahlen irgendwann zu einem Problem führen. Die bleierne Tür, vor welcher x Patienten warten, steht weit offen, die Eltern müssen ohne Schutz ihre Kinder in der richtigen Position halten, es wird niemand gefragt ob sie ev schwanger ist und die MTRA macht ohne Dosimeter oder Schutz eine Aufnahme nach dem anderen. Als Pädiater versuchen wir ihnen wenigstens beizubringen den Kindern bei der Beckenaufnahme einen Gonadenschutz hinzulegen….wir können nur hoffen, dass es auch in unserer Abwesenheit gebraucht wird.